Weil Roland Koch auch so

ist. . . Was passiert mit kriminellen deutschen???
Montagnachmittag in einem Mietshaus in Kalk. In der ersten Etage wohnt Familie L. Salehs Zimmer ist gleich links neben der Wohnungstür. Seine Geschwister haben die Möbel und die persönlichen Gegenstände ihres Bruders am Wochenende ausgeräumt. Der Leichnam soll noch diese Woche nach Marokko überführt und dort im Kreise der Familie beigesetzt werden. „Wir rechnen jeden Moment mit einem Anruf, dass die Leiche freigegeben ist“, sagt Abdullah.
Im Wohnzimmer serviert seine Mutter Kuskus mit Fleisch und Gemüse. Sie und ihr Mann leben seit 1962 in Deutschland. Ihre drei Söhne und die beiden Töchter sind in Köln geboren. Auf die Frage, ob sich Saleh eher als Marokkaner oder als Deutscher gefühlt habe, antwortet Abdullah: „Weder noch. Er war ein kölscher Jung.“ Freunde des getöteten Hauptschülers hatten auf einer spontanen Kundgebung Sonntagabend die Polizei, die Staatsanwaltschaft und die Medien kritisiert. Der Tenor: „Wenn in München ein Deutscher von Ausländern verprügelt wird, geht das wochenlang durch alle Zeitungen. Wenn in Köln ein Marokkaner von einem Deutschen abgestochen wird, werden die Ermittlungen eingestellt und keinen interessiert es.“ Abdullah L. sagt dazu: „Ich möchte niemanden kritisieren, ich bin nur sicher, dass sich das Geschehen nicht so abgespielt hat, wie es dargestellt wird.“
Oberstaatsanwalt Alf Willwacher betonte gestern noch einmal: „Derzeit spricht alles für Notwehr, aber die Ermittlungen sind nicht abgeschlossen. Es wird noch eine Nachvernehmung geben.“ Für die Notwehr-Variante sprechen die Aussagen der mutmaßlichen Überfallopfer und eines unabhängigen Zeugen. Außerdem die Untersuchungsergebnisse eines Rechtsmediziners, der Spuren von Schlägen bei den beiden Überfallenen festgestellt hat. Auch die kaputte Brille des 20-jährigen Messerstechers wurde am Tatort gefunden. Im Strafgesetzbuch heißt es: „Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.“ Und weiter: „Überschreitet der Täter die Grenzen der Notwehr aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken, so wird er nicht bestraft.“
Nicht recht ins Bild passen die Schilderungen vieler Verwandter, Freunde und Nachbarn, die Saleh L. als friedlich und hilfsbereit beschreiben. Bei der Polizei hatte der 17-Jährige keine Einträge. „Von Räuber und Überfall will ich gar nichts lesen“, wehrt Abdullah L. ab. „Mein Bruder war nicht kriminell. Da können Sie jeden im Viertel fragen.“ Der 22-Jährige erzählt die Geschichte von einem Fußballschiedsrichter, der bei einem Spiel in Deutz zusammengeschlagen worden war. „Saleh hat sich um ihn gekümmert, hat ihn zur Polizei begleitet.“
Auch der Direktor der Hauptschule, die Saleh besuchte, hat den begeisterten Fußballspieler als „fröhlichen Menschen ohne Aggressionen“ in Erinnerung. Klaus Thomalla besucht die Familie am Nachmittag, um sein Beileid zu bekunden. Das Entsetzen in der Schülerschaft sei groß, berichtet er. Schulpsychologen hätten die Lehrer am Morgen bei der Trauerarbeit unterstützt. Freitag soll es in der Schule eine Trauerfeier geben.
Am Nachmittag kam der marokkanische Generalkonsul Ahmed Mesgidd ins Polizeipräsidium. Nach Angaben von Einsatzleiter Michael Temme zeigte er sich erleichtert über den Stand der Ermittlungen. Gestern Abend trafen sich auf der Kalker Hauptstraße erneut mehr als 300 Jugendliche aus Kalk sowie Freunde und Mitschüler von Saleh L., um ihre Betroffenheit zum Ausdruck zu bringen.