Scham als Gefühl
Das Wort hat eine seelisch-emotionale Bedeutung.
Aufgrund der menschlichen Instinktausstattung ist - neben der Angst zur unmittelbaren Überlebenssicherung - der Wunsch nach Verbundenheit die fundamentalste menschliche Emotion. Der Wunsch "dazuzugehören" sitzt so tief in der menschlichen Seele, dass all seine latenten Auswirkungen auf das tägliche Leben nicht zu überschauen sind. Das gesamte Sozialverhalten eines Menschen steht im Dienste dieses Wunsches. Daraus resultiert, dass neben der unmittelbaren Angst in lebensbedrohenden Situationen, die Angst vor Einsamkeit ebenfalls eine mächtige Triebfeder für menschliches Verhalten ist. Solche Ängste manifestieren sich, je nach Art und Intensität, in Form von allerlei Emotionen, die allesamt charakteristisch für zwischenmenschliche Beziehungen sind. Jeder kann aus eigener Erfahrung wissen wie es sich anfühlt, wenn man befürchtet die Zugehörigkeit zu einer Person oder einer Gruppe zu verlieren.
Am schlimmsten sind dabei logischerweise die Gefühle, die ein Mensch hat, der akut befürchtet von allen anderen verstoßen zu werden. Aufgrund des evolutionären Hintergrundes unserer Gefühle - Verstoß aus der Gruppe bedeutete für unsere Vorfahren den sicheren Tod - wird ein solcher Mensch diesen Verstoß um jeden Preis verhindern wollen. Egal welche Position man mit seiner eigenen Meinung vorher vertreten hat, sie ist es garantiert nicht wert dafür zu sterben. Mit dem Schamgefühl greift der Selbsterhaltungstrieb eines Menschen in dessen eigene Persönlichkeit ein, und erkauft sich die Wiederaufnahme in die Gruppe - und so das eigene Überleben - mit einer Art von innerlich erzwungener Selbstaufgabe.
Wer jemals wegen etwas starke Schamgefühle hatte - meist als Resultat von zwischenmenschlichen Manipulationsmaßnahmen die außer Kontrolle geraten sind - kann sich zweifellos daran erinnen, wie extrem er auf einmal seine Meinung geändert hat, bzw von einem vorherigen Standpunkt oder Verhalten abgewichen ist.
Aufgrund der Wichtigkeit von Verbundenheit zu anderen Menschen wirkt sich die Scham nicht nur in ex post empfundenen Schamgefühlen, sondern auch präventiv in starken Vermeidungsgefühlen aus, die auftreten wenn man sich in Gedanken mit Dingen beschäftigt, deren Realisierung die akute Gefahr des Ausschlusses aus der Gruppe hervorbringen würde.
Aufgrund ihres oben beschriebenen Hintergrundes spielt die Scham vor allem bei gesellschaftlichen Tabuthemen eine Rolle; insbesondere dort wo das Individuum bei wichtigen Bedürfnissen die größte Diskrepanz zu dem bemerkt, was gesellschaftlich akzeptiert ist.
Dies ist in hohem Maße beim Thema Sexualität der Fall. Schamgefühle stehen häufig mit Sexualität in Verbindung, und werden deshalb auch leicht mit ihr verpanscht, bis hin zur Bezeichnung des Schoßes der Frau als "Scham", jedoch ist die wahre Natur der Scham nichts Sexuelles, sondern die Angst vor Einsamkeit in ihrer eindringlichsten Form.
Quelle:
http://de.wikipedia.org/wiki/Schamgef%C3%BChl